THIASOS

CD mit handgeschriebenem und vervielfältigtem Textheft, entstanden 1990

Marjolijn Sleeswijk: Gesang, Organistrum, Percussion
Scott Wallace: Gesang, Gemshörner, Block- und Querflöten, Harfe, Trommel
Karin Zeleny: Gesang, Streichmelodeon, Dulcimer, Kithara, Percussion

Im Humanismus des 16.Jahrhunderts wurden lateinische Gedichte in antiken Metren mit strenger Wiedergabe der Silbenquantitäten vertont, dergestalt, daß das Verhältnis zwischen Länge und Kürze 2:1 beträgt. Häufig sind diese sogenannten "Humanistenoden" vierstimmige Chorsätze zu Horazgedichten, wobei freilich der individuelle Charakter der Texte nicht berücksichtigt wird. Der Schweizer Musiktheoretiker Henricus Loritius Glareanus (1488-1563) hat aus diesem Grund einstimmige Odenmelodien componiert und in seinem 1547 erschienenen "Dodekachordon" veröffentlicht; allerdings ließ er sie meistens unvollendet: er überläßt es dem Interpreten, die Melodie im Modus ("Kirchentonart") und unter Berücksichtigung der Silbenquantitäten weiterzuspinnen. In manchen Fällen konnten wir sie aus den bereits von ihm verwendeten Formeln ergänzen, manchmal aber war es notwendig, selbständig weiterzucomponieren. Zu den Humanistenoden zählt auch das von Franchinus Gafurius (1451-1524) zweistimmig vertonte Gedicht "de septem modis musices" von Lancinus Curtius (vor 1450-1511).

Schon aus dem Mittelalter sind einstimmige Horazvertonungen, wie die anonym im Codex Franekeranus s.X überlieferte zu Horaz c.1,33 Albi ne doleas, bekannt. Eine Möglichkeit, ein mathematisch genaues Verhältnis zwischen Längen und Kürzen notenschriftlich festzulegen, bestand damals noch nicht. Wir haben versucht, die Melodie inclusive Melismen und das Metrum miteinander in Harmonie zu bringen.

Bei unserer Auseinandersetzung mit Horaz entstanden auch Eigencompositionen, die von der musicalischen Tradition des Mittelalters und der Renaissance inspiriert sind.

Aus der antiken Überlieferung gibt es einige wenige griechische Lieder und Musikfragmente. Die der Kalliopeia sowie dem Helios gewidmeten Hymnen des Mesomedes (2.Jh.) und das bekannte, auf einer Grabstele bei Tralles in Kleinasien gefundene Seikilos-Lied (1.Jh.) umrahmen unsere Aufnahme.

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1) Hymnus an die Muse - Hymnus an Helios

T+M: Mesomedes, 2.Jh.
aus: E.Pöhlmann, Denkmäler altgriechischer Musik, Nürnberg 1970

2) O fons Bandusiae

Asclepiadeum tertium
T: Horatii c.3,13
M: K.Zeleny 1988

3) Diffugere niues

Archilochium alterum
T: Horatii c.4,7
M: M.Sleeswijk 1982

4) Non ebur

Hipponacteum
T: Horatii c.2,18
M: vv.1-22: H.L.Glareanus ed.1547, seqq.: M.Sleeswijk, K.Zeleny 1990

5) Donec gratus eram tibi

Asclepiadeum quartum
T: Horatii c.3,9
M: H.L.Glareanus ed.1547

6) Quis multa gracilis te puer in rosa

Asclepiadeum tertium
T: Horatii c.1,5
M: H.L.Glareanus ed.1547

7) Quid immerentis hospites uexas canis

Iambischer Trimeter und iambischer Dimeter
T: Horatii epod.6
M: H.L.Glareanus ed.1547

8) De septem modis musices

Sapphische Strophe
T: Lancinus Curtius (vor 1450-1511)
M: Franchinus Gafurius (1451-1524), aus: De harmonia musicorum instrumentorum opus, Mailand 1518, fol.LXXXIX
Contrapuncti: S.Wallace 1990

9) Albi ne doleas

Asclepiadeum alterum
T: Horatii c.1,33
M: Codex Franekeranus s.X, aus: J.Draheim und G.Wille, Horazvertonungen vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Amsterdam 1985

10) Tibiarum

11) Carmina qui quondam studio florente peregi

Elegisches Distichon
T: Boethii cons.metr.1
M: vv.1-2 R.Gaguinus bei H.L.Glareanus ed.1547, seqq. K.Zeleny 1990

12) Miserarum est / Frottola: Se non dormi

Ionici a minore / anaklastische Ionici
T: Horatii c.3,12
M: H.L.Glareanus ed.1547 / Anon. ed. Petrucci 1504-1514, aus: R.Monterosso, Le frottole, Cremona 1954, Nr.LIIII

13) O nata mecum consule Manlio

Alcaeische Strophe
T: Horatii c.3,21
M: K.Zeleny 1989

14) Vitam quae faciant beatiorem

Hendekasyllaben
T: Martialis c.10,47
M: vv.1-3 H.L.Glareanus ed.1547, seqq. K.Zeleny 1990

15) Seikilos-Lied

inschriftlich auf einer bei Tralles, Kleinasien, gefundenen Grabstele, 1.Jh, aus: E.Pöhlmann, Denkmäler altgriechischer Musik, Nürnberg 1970